Gut ist nicht gut genug

Sind hohe Baustandards nötig – oder erschweren sie den Wohnungsbau?

Es herrscht Wohnungsnot in Deutschland. Baugewerbe und Wohnungsunternehmen drängen darauf, Baustandards zu senken, um so schneller und kostengünstiger neue Wohnungen zur Verfügung stellen zu können. Widerstand regt sich hier vom Verein Bauherrenschutzbund (BSB). Die Lobbyisten für private Bauherren fürchten um die Projekte ihrer Schützlinge. So warnen sie vor sinkender Qualität und zunehmendem Pfusch am Bau, wenn von den sogenannten anerkannten Regeln der Technik (a.R.d.T.) abgewichen wird. 

Zurück zu einem machbaren Niveau 

Florian Becker, Geschäftsführer des BSB, mahnt, dass ein pauschaler Verzicht auf diese Regeln in Verbraucherbauverträgen einem erheblichen Abbau der Verbraucherschutzrechte gleichkäme. Widerspruch erfährt er dabei sowohl vom deutschen Baugewerbe in Person von dessen Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa als auch vom größten deutschen Wohnungsverband GdW. „Es geht nicht darum, Baustandards deutlich abzusenken, sondern die mittlerweile zu hohe Zahl an teuren Vorgaben im Premium-Bereich auf ein normales, ebenso sicheres, aber wieder machbares Niveau zu bringen“, erklärt GdW-Präsident Axel Gedaschko.

Einig darüber, dass wichtige Standards wie Standsicherheit sowie Schall- und Brandschutz einzuhalten sind, ist man sich in der Branche. Strittig sind dagegen eine Flut sogenannter DIN-Normen, die immer mehr in die a.R.d.T. einfließen und so das Bauen aus Sicht des Baugewerbes unnötig verteuern. „Kritisch beobachten wir seit Langem, dass zahlreiche Normen entstehen, für die die Marktrelevanz oder der allgemeine Nutzen fraglich sind, die aber dennoch als anerkannte Regel der Technik vom Bauunternehmer zwingend einzuhalten sind und zu relevanten Baukostensteigerungen führen“, so Pakleppa. Diese neuen Baunormen stammen dabei vielfach aus dem Bereich der Energieeffizienz, aber auch dem vielfachen Vorgehen, bei Gebäuden immer höhere Premiumstandards zu setzen. „Unser Anspruch in Deutschland beim Wohnungsbau ist es, immer alles 110 Prozent zu machen. Davon müssen wir runter“, erklärt Andreas Demharter, Geschäftsführer der bayerischen Baugewerbeverbände. Den Wohnungsbau bremsten diese Vielzahl an Normen dabei in zweierlei Hinsicht. Auf der einen Seite verteuerten sich Projekte unnötig, auf der anderen Seite trauten sich viele Architekten und Entwickler gar nicht mehr an Großprojekte, in der Angst Normen zu verletzen und im Zweifelsfall verklagt zu werden.

Hier will auch Gedaschko gegensteuern: „Allerhöchster Standard bei gleichzeitig geringen Kosten ist unmöglich. Es kann aber gelingen, rechtssicher einen guten Standard zu vereinbaren, der zwar nicht maximales Premium, aber doch von guter Qualität ist.“ Abhilfe könnte hier der „Gebäudetyp E“ (E für einfach) schaffen. Das Konzept sieht vor, dass Bauherren und Unternehmer in gegenseitiger Absprache von kostenintensiven Standards abweichen können – ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Bundesregierung hat angekündigt, dazu künftig Anpassungen im Zivilrecht vornehmen zu wollen.

Christoph Kastenbauer